Fahrlehrer erschrecken

Warum man Fahrlehrer besser nicht erschrecken sollte

– Die Fahrstunde begann ziemlich harmlos und eigentlich, so zumindest meine Meinung, sind es eher die Fahrschüler, die sich dann doch von eigenen Patzern oder von einem unbeabsichtigten Betätigen des Notausschaltknopfes bei Motorrädern ins Bockshorn jagen lassen.  Nach der heutigen Fahrstunde weiß ich, wie leicht es mir gelingt, bestimmte Fahrsituationen auf dem Motorrad zu unterschätzen und damit meinen Fahrlehrer zu erschrecken.

Getreu dem Motto, Übermut tut selten gut, passierte es heute in einer der wichtigen Pflichtfahrstunden, die sich Autobahnfahrt nennt. Wo genau wir von der Landstrasse auf die Autobahn wechselten, weiß ich nicht genau, aber soll auch an dieser Stelle eher nebensächlich erwähnt sein.  Nur so viel, in meinem Magen purzelten die Glücksgefühle hin und her, als wir die schönen Rechts- und Linkskurven der Autobahnauffahrt in Richtung ‚Bahn nahmen. Ich konzentrierte mich beim Auffahren auf die Übung, die Hüften und Oberschenkel entsprechend der Kurvenvariante einzusetzen, um nicht zu verkrampft auf der Maschine und in den Armen zu sein. Meine Geschwindigkeit verlangsamte sich zwar durch meine Konzentration auf das Ausfahren der Kurven, aber das störte mich nicht weiter. Jede Minute soll schließlich ein Genuß sein! Zumindest sagt mein Fahrlehrer das auch immer nach jedem Unterricht.

Beim Schreiben des Satzes schiebt sich ein Bild von einem breit, grinsenden Smiley in den Kopf. Oh ja, ich habe diesen Augenblick sehr genossen.  Doch kehren wir zurück von meinen inneren Gefühlsausbrüchen zu dem Geschehen auf der Autobahn.

Wir fuhren auf die Autobahn, er mit seiner BMW vorweg und ich mit meinem späteren Fahrprüfungs-Motorrad  hinterher. Blinker links einschalten,  Geschwindigkeit von 100 km/h auf 140 km/h erhöhen, Schulterblick links, Rückspiegelblick und ab in den 6. Gang! Mit nur einem zeitlichen Abstand von 2 Sekunden, hatte sich schnell eine räumliche Distanz  zwischen Fahrschüler und Fahrlehrer gebildet, doch diese war auch schnell wieder eingeholt. Wir fuhren für ca. 5 Minuten auf der rechten Fahrspur, dann setzte er den Blinker links und startete das erste Überholmanöver.

Wieder schob sich ein breites, inneres Grinsen in mein Gemüt. Hehe, dachte ich, super – welch ein schönes Fahrmanöver! Nach dem Überholen des ersten Fahrzeuges setzte mein Fahrlehrer den Blinker, rechts und wechselte die Spur.  Ich wiederholte, was er tat und änderte mit einem guten Sicherheitsabstand ebenfalls die Fahrspur. Kaum, dass wir weitere fünf Minuten fuhren, wiederholten sich Manöver und Bauchgefühl.  Ich komme dem Führerschein immer näher, dachte ich und genoß die Fahrt auf der Autobahn.

Ich schaute in den Rückspiegel, schaute nach vorn zu meinem Fahrlehrer, schaute in den Rückspiegel und begann die Geschwindigkeit der herannahenden Autos abzuschätzen, um mich auf den nächsten Überholvorgang vorzubereiten. Meine Augen wechselten noch zweimal in Richtung Rückspiegel und zum Fahrlehrer vor mir.  Dann setzte ich den Blinker links, schaute noch mal auf den Abstand meines Fahrlehrers und dem ihm vorausfahrenden PKW und setzte zum Überholmanöver an. Ich freute mich über meinen Coup, dachte, so hätte mein Fahrlehrer genügend Platz auch zum Überholen anzusetzen. Doch nichts passierte. Er blieb rechts. Mein nächster Gedanke, soll ich jetzt weiter überholen oder ordne ich mich hinter ihm wieder ein? Warum folgt er mir nicht und setzt zum Überholen an? Nach kurzem Überlegen, entschloss ich mich, Variante zwei meines Gedankens zu wählen. Ich schaute in den Rückspiegel, setzte den Blinker rechts und war auch binnen Sekunden wieder hinter meinem Fahrlehrer.

Im nächsten Moment ahnte ich schon, dass mein Überholmanöver nicht ohne Folgen bleiben wird. Die nächste Ausfahrt war unsere. Brav fuhr ich meinem Fahrlehrer hinterher. Er kommunizierte nur über Handbewegungen mit mir. Wir fuhren auf einen Autobahnparkplatz. Er hielt fast am anderen Ende des Parkplatzes an, stellte sich mit seiner BMW parallel zur Fahrbahn auf eine freie Parkfläche und zeigte mir mit der rechten Hand bzw. dem Zeigefinger, wo ich zum Halten kommen soll. Ich hielt parallel neben ihm an, schaltete in den Leerlauf und stellte den Motor ab. Jetzt bricht er bestimmt die Fahrstunde ab, dachte ich. Doch so weit sollte es glücklicherweise nicht kommen.

Er öffnete sein Visier und wartete noch eine Sekunde, bis ich auch mein Visier hochklappte und zu ihm blickte. Wie immer, blieb er sehr ruhig, aber ein scharfer Unterton war seinen Fragen dennoch zu entnehmen. Wie häufig bist Du schon Autobahn gefahren und Frage zwei, hast Du es eilig? …. Ich zögerte ein wenig mit meiner Antwort, war gespannt, was jetzt noch folgen würde…. äääähh, ich dachte, ich…. mehr brauchte ich nicht zu sagen, dann übernahm er wieder das Wort… ja, ja, ich dachte, ich… so fängt es immer an… Er hielt nicht viel von Antworten, die so begannen… Du brauchst keine Rücksicht auf mich nehmen, ich fahre schon lange genug Motorrad, um mit einem Fahrschüler hintenan abschätzen zu können, ob wir überholen können oder nicht, mahnte er. Nur weil wir zweimal etwas gemacht haben, heißt es nicht, dass wir diesen Vorgang auch noch ein drittes Mal praktizieren. Ich bin der Fahrlehrer. Es ist Deine erste Autobahnfahrt und Du kannst doch noch gar nicht abschätzen, wie nah ein Autofahrer wirklich ist oder ob er Dich auf Deinem Motorrad überhaupt richtig sieht, oder? …  Meine Verlegenheit wurde mit jedem Satz, den er formulierte, größer – Ich versuchte mein Handeln zu erklären. Mir fehlten die Worte und so schloss den Satz damit ab, dass ich sagte, dass ich falsch gedacht habe.

Ja richtig, betonte er, Du hast falsch gedacht. 2 Sekunden Pause. Anschließend nickte er zufrieden, klappte sein Visier runter, startete sein Motorrad und fuhr wieder an. Ich tat es ihm gleich und blieb diszipliniert für den Rest der Autobahnfahrt hinter ihm.

Als wir wieder in der Fahrschule ankamen, sprachen wir noch kurz über den Vorgang und er gestand mir, dass einen Augenblick lang erschrocken hatte und sich fragte, wo und wann ich als sein Fahrschüler verloren ging. …

Ich konnte nachvollziehen, dass er sich erschrocken hatte und entschuldigte mich noch einmal für meinen Übermut. Es lag mir fern, meinen Fahrlehrer durch eine vermeindlich harmlose, eigenständige Aktion zu erschrecken, aber es scheint, mir ist das in diesem Fall gelungen.